Geologische Feldforschung auf der Erde ist eine einfache Sache – man steht ja buchstäblich auf seinen Proben. Aber dieses Material hat aufgrund seiner vielmaligen Veränderung im Verlauf der Erdgeschichte einen erheblichen Nachteil für diejenigen, die nach unberührten, ursprünglichen Proben aus den frühesten Tagen unseres Sonnensystems suchen. Wer derartige Proben finden möchte, muss weit über unsere Atmosphäre hinaus in den Weltraum vordringen – dorthin, wo Kleinplaneten sie seit den Anfängen unseres Sonnensystems transportieren. Mittels mikroskopischer Aktivthermografie konnten japanische Forscher bestätigen, dass es sich beim untersuchten Kleinplaneten Ryugu um ursprüngliches Material aus der Frühzeit des Sonnensystems handelt.
Nach solchen außerirdischen Proben zu greifen, ist jedoch ein sehr ehrgeiziges Unterfangen. Der gut erreichbare Mond ist leider zu jung und seine Oberfläche war zudem seit Millionen von Jahren intensiver Sonneneinstrahlung ausgesetzt. Am äußeren Rand unseres Sonnensystems tragen dagegen sogenannte Kleinst- und Kleinplaneten noch immer Überreste seines Ursprungs. Sie können zufällig durch Gravitationseinflüsse in den inneren Teil des Planetensystems gezogen werden, wo sie auf Umlaufbahnen gelangen, die den Zugang von der Erde aus erleichtern.
Japan Aerospace Exploration Agency (JAXA)
Astromaterials Science Research Group (ASRG)
Dr. Takuya Ishizaki et al.
https://curation.isas.jaxa.jp/en/
Thermografiesystem:
ImageIR® 8300 hp
Die aktuelle Weltraumtechnologie ermöglicht es, dieses interplanetare Probenmaterial mit Raumsonden zu sammeln – allerdings nur in sehr geringen Mengen. Im September 2023 wurde von der US-amerikanischen Sonde Osiris-REx etwa 250 g Material vom Kleinplaneten Bennu zurückgebracht, 2010 und 2018 lieferten die beiden japanischen Hayabusa-Sonden 5,4 g Material von den Kleinplaneten Itokawa und Ryugu. Die Analyse solch geringer Mengen erfordert sehr empfindliche Messtechnologien für chemische und physikalische Untersuchungen. Eine dieser Technologien ist die Thermografie, mit der Rückschlüsse auf den Ursprung der Proben aus ihrer Temperaturleitfähigkeit gezogen werden können. Die extrem geringe Masse der gesammelten Proben stellt eine große Herausforderung für thermografische Messungen dar. Bei Nutzung der aktiven Thermografie ist aber dennoch eine quantitative Analyse möglich. Den Wissenschaftlern der japanischen Raumfahrtbehörde JAXA um Takuya Ishizaki gelang das durch die Kombination einer InfraTec ImageIR® 8350 hp Thermografiekamera mit einer Diodenlaser-Anregungsquelle.
Die Messung der Wärme- und Temperaturleitfähigkeit extraterrestrischer Proben ist nicht neu – sie wurde bereits bei Meteoriten angewendet. Die Erde selbst ist ein riesiger Meteoritensammler. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass jährlich etwa 107 bis 109 kg auf der Erde auftreffen. Die meisten davon sind staubartige Mikrometeoriten und zu leicht oder zu klein für Leitfähigkeitsmessungen. Aber es gibt trotzdem noch eine große Auswahl an Material von ankommenden Meteoriten mit Massen von 100 bis 1.000 g, die eine geeignete Probenvorbereitung ermöglichen.
Bisher wurden Methoden wie Laserblitzanregung, gepulste Erwärmung oder Infrarot-Scanning eingesetzt – all diese Methoden haben jedoch eines gemeinsam: Sie können Proben nicht auswerten, ohne sie vorher bearbeitet zu haben. Eine herkömmliche periodische Erwärmung wäre eine unzureichende Methode, da sie auf physischen Kontakt mit der Probe angewiesen ist und eine lange Messzeit erfordert. Im Gegensatz dazu ermöglicht die Thermografie eine berührungslose und zerstörungsfreie Untersuchung des Materials.
Dr. Takuya Ishizaki und seine JAXA-Kollegen entwickelten auf deren Grundlage eine neue Messmethode, bei der die Phasenverschiebung einer Temperaturwelle in den Proben analysiert wird. Diese Methode lässt die physikalischen und chemischen Eigenschaften der äußerst wertvollen Ryugu-Proben unberührt.
Abbildung 1 zeigt den grundlegenden Messaufbau: Die Messanordnung besteht aus einer Thermografiekamera mit Mikroskopoptik, einem Diodenlaser als Anregungsquelle und einem Funktionsgenerator zur Kopplung beider Komponenten. Um eine Phasenverzögerung zu erreichen, wird das In-Phase-Signal einer periodischen Messung einer Fourier-Analyse unterzogen, die die Ausbreitung der thermischen Welle visualisiert – ohne direkten Kontakt zur Probe und innerhalb weniger Sekunden. Bevor diese Methode auf die Ryugu-Proben angewandt wurde, wurde sie mit einer Kreuzschliffprobe aus isotropem Graphit getestet.
Beim Vergleich des Amplitudenbildes dieser Testmessungen mit den Ergebnissen der Phasenverzögerung ergab letztere offenbar einen besseren Signalkontrast – und ermöglichte auch eine quantitative Energieanalyse.
Im nächsten Schritt wurden im Labor der Astromaterials Science Research Groups von JAXA weitere technische Abläufe entwickelt. Zuerst einmal galt es, die millimetergroßen Proben in einer sicheren und unveränderlichen Umgebung aufzubewahren. Die Proben wurden im interplanetaren Vakuum gesammelt, und dieser Zustand musste bis ins Labor und an den Ort, an dem die eigentlichen Thermografiemessungen durchgeführt werden sollten, aufrechterhalten werden. Aus diesem Grund wurden diese in eine kleine Vakuumkammer mit Saphirfenstern eingebracht, die für die mittlere Infrarotwellenlänge eines ImageIR®-Systems transparent sind. Die mechanische Konstruktion des gesamten Aufbaus musste so stabil wie möglich sein, damit eine µm-genaue Fokussierung der Kamera und des Anregungslasers durchgeführt werden konnte. Für die optische Ausrichtung des gesamten Aufbaus wurde eine CMOS-Kamera mit einer weißen LED als Probenbeleuchtung installiert.
Während der Messungen überschritt die tatsächliche Wärmezufuhr nie 5 mW, die Heizfrequenzen variierten zwischen 1 Hz und 20 Hz (je nach Probengröße und -struktur).
Die Proben selbst hatten eine Größe von etwa 2,0 bis 4,8 mm (maximale Länge). Einige von ihnen waren aus einem größeren Stück geschnitten worden, sodass sie eine unterschiedliche Anzahl von Rissen und wenige flache Bereiche aufwiesen. Die Form der Proben stellt eine Herausforderung für den Präzisionsfokussierungsmechanismus dar.
Die abgeleiteten Phasenverzögerungsbilder zeigen eine Vielzahl von Phasenmustern, die als „Isophasen“ bezeichnet werden. Es konnte sowohl isotropes als auch anisotropes Verhalten visualisiert werden. Besonders interessant waren die Proben mit anisotropem Verhalten, da sie die niedrigste Temperaturleitfähigkeit in Probenbereichen aufwiesen, die mit Rissen korrelierten. Diese Risse könnten der Schlüsselfaktor für die Modelle der thermischen Entwicklung des Sonnensystems sein, in denen Himmelskörper wie Ryugu aus Staub entstanden sind! Genau diese winzigen Details, welche nur durch aktive Thermografie erfasst werden können, sind für das Team von Dr. Ishizaki die wichtigsten Probendetails, die sie zum Ursprung des Sonnensystems führen.
Die wertvollen Proben, die Hayabusa 2 gesammelt hatte, wurden während der Untersuchungen gut geschützt, dennoch kam es zu Beschädigungen. Das Ziel war es, trotzdem gute Messergebnisse zur erzielen.
Bei dem Diodenlaser, der als Anregungsquelle verwendet werden sollte, musste sichergestellt werden, dass seine Leistung niemals 5 mW überstieg. Um Thermografie-„Karten“ mit einer hohen räumlichen Auflösung und einem guten Signal-Rausch-Verhältnis zu erzeugen, ist ein sehr empfindliches Thermografiesystem erforderlich. Daher mussten sowohl der Laser als auch die Kamera auf ein äußerst präzises Mess-Timing eingestellt werden. Die Spezifikationen einer ImageIR® 8305 mit ihrem empfindlichen InSb-Detektor und ihrer ns-genauen Trigger-Schnittstelle waren Teil dieser Lösung. Anders als bei früheren makroskopischen Untersuchungen wurden die Messungen mit einem Mikroskopobjektiv (M=3,0x) durchgeführt. Mit der Software „IRBIS active online“ von InfraTec können auch Phasenbilder wie hier gezeigt, erstellt werden. Lock-in-Thermografie-Experten können auch das ImageIR® SDK nutzen, um ihre eigene aktive Thermografie-Anwendung zu entwickeln.