Ein Kernthema moderner Werkstoffforschung ist die Erforschung von Kunststoffen als vielseitiges Material für verschiedene Technologie-Anwendungen. Nicht selten werden aus der akademischen Grundlagenforschung heraus Industrieanwendungen entwickelt.
An der Fakultät für Maschinenbau der Universität Paderborn arbeitet die Kunststofftechnik Paderborn (KTP) intensiv an diesem Themengebiet und verwendet dafür unter anderem eine VarioCAM® HD.
Das KTP erforscht und entwickelt Verarbeitungsprozesse und Simulationsprogramme im Bereich der Kunststoffe und Kautschuke für die Technologien Extrusion, Spritzgießen und Schweißen bzw. Kleben. Das Institut verfügt durch seine verschiedenen, mit dem neusten Stand der Technik ausgestatteten Labore über diverse Möglichkeiten, umfassende Materialuntersuchungen durchzuführen und diese für Kooperationspartner in der Industrie anzubieten.
Seit mehreren Jahren verwendet die KTP eine VarioCAM® HD für ihre Materialforschung. Die Wärmebildkamera kommt in diesen vier Forschungsgebieten zum Einsatz:
Qualitätsüberwachung beim Laserdurchstrahlschweißen
Senkung des Energieverbrauchs von Schrumpftunneln
Thermografie im Bereich Faserverbund-Materialien
Gezieltes Aufheizen von Organoblechen mittels Infrarotstrahlung
Universität Paderborn, Fakultät für Maschinenbau;
Kunststofftechnik Paderborn (KTP)
Frau Dr. Kim Westhues
Thermografiesystem:
VarioCAM® HD
Bei diesem Fügeverfahren werden Bauteile miteinander verschweißt, von denen jeweils eines transparent und eines absorbierend für die zum Fügen verwendete Laserstrahlung ist. Diese Strahlung durchdringt dabei zunächst den transparenten Fügepartner ungestört und führt im absorbierenden Fügepartner zur Erwärmung und zum Aufschmelzen desselben. Gleichzeitig setzt ein Wärmefluss in den mit Fügedruck fest angepressten transparenten Fügepartner ein. Dadurch schmilzt dieser ebenfalls auf, was schließlich zum Verschweißen beider Bauteile führt.
Für die Überwachung und Bewertung der qualitativen Ausführung des Schweißvorganges eignet sich die Thermografie als berührungslose Temperaturmessmethode. Eine hochgenaue Wärmebildkamera wie beispielsweise die VarioCAM® HD erlaubt dabei das Aufdecken thermischer Schädigungen und Hotspots in kritische Bauteilbereichen.
Die Messaufgabe ist aufgrund der Genauigkeitsanforderung sehr anspruchsvoll. Erschwerend kommt hinzu, dass die gewählte Messmethode auch auf gewölbten Werkstücken funktionieren muss – also einen dreidimensionalen Schweißprozess verfolgen kann. Neben ihrer hohen Bildauflösung von (1.024 × 768) IR-Pixeln kann die VarioCAM® HD hier zusätzlich mit ihrer EverSharp-Funktion punkten. Dabei wird eine Thermogramm-Reihe mit unterschiedlichen Fokuseinstellungen aufgenommen und anschließend zu einem durchgängig scharfen Thermogramm zusammengesetzt. Die hohe Ortsauflösung des verwendeten Kamerasystems erlaubt zudem eine exakte Messung der Werkstücktemperatur unmittelbar neben dem Schweißbereich.
Der aktuelle Anspruch ist es, die Verwendung von Kunststofffolien als Verpackungsmaterial zu reduzieren. Doch bei einigen Versandformen oder Materialbeschaffenheiten ist ihr Einsatz unabdingbar. Beim Verpackungsvorgang mithilfe von Schrumpffolie macht man sich beispielsweise den Umstand zu Nutze, dass durch die Erwärmung der Folie weniger standfeste Güter so auf Paletten fixiert werden, dass sie schnell und unkompliziert bewegt und verladen werden können. In diesem Verpackungsprozess werden die jeweiligen Güter durch einen thermisch isolierten, beheizten Tunnel geleitet und die Folie vorgangsgerecht erwärmt. Je nach Verpackungsgut oder Losgröße ist dabei ein erhebliches Raumvolumen zu beheizen. In Zeiten steigender Energiekosten ist die energetische Optimierung des Vorganges darum eine Notwendigkeit.
Im Rahmen eines Förderprojektes des Zentralen Innovationsprogrammes Mittelstand (ZIM) des Bundeswirtschaftsministeriums hat das KTP einen Prototyp entwickelt, der dank thermischer Optimierung mit 50 % weniger Energieaufwand betrieben werden kann als aktuell handelsübliche Schrumpftunnel. Diese benötigten bis dato 37 kW – nach entsprechenden Anpassungen des Prototyps konnte der Energieaufwand auf 17 kW reduziert werden. Entscheidend waren hier die thermografischen Untersuchungen der Transportrollen (als Hauptquelle für den Wärmeverlust) sowie der Nachweis von Wärmebrücken und die Messungen von Geräteoberflächentemperaturen. Für diese Untersuchungen sind die hohe Messgenauigkeit und Messstabilität einer VarioCAM® HD von großem Vorteil.
Im weiteren Fortgang des Förderprojektes sind zudem Aspekte einer Prozessautomatisierung und güterspezifischer Flexibilisierung betrachtet worden, um über den Prototyp auch eine Serienfertigung der optimierten Schrumpftunnel ermöglichen zu können.
Faserverbund-Werkstoffe sind aus der Entwicklung modernster hochbelastbarer und gleichzeitig leichter Bauteile und Komponenten nicht mehr wegzudenken. Ihre Anwendung finden sie u. a. in den Bereichen Luft- und Raumfahrt, Fahrzeugbau und Windkraftanlagen. Bei der Werkstoffentwicklung sind Untersuchungen von Beanspruchungen und Belastungen im Zusammenhang mit Temperaturen, Umgebungsmedien und mechanischer Stressfaktoren darum unverzichtbar. Zerstörungsfreie Prüfverfahren (ZfP) sind auch hier für das KTP ein Kernthema, bei dem sich unter bestimmten Gegebenheiten die Vorteile von passiver und aktiver Thermografie gewinnbringend einsetzen lassen.
So stabil Verbundwerkstoffe auch konstruiert werden können, so vielfältig sind die möglichen Beschädigungen, die sich oft im Materialinneren aufhalten und daher anspruchsvolle Messlösungen erforderlich machen. Eine VarioCAM® HD in Kombination mit der InfraTec-Software IRBIS® active leistet dafür wertvolle Dienste. Flächige Bauteile werden aktiv mit gepulsten Lichtquellen angeregt, was für einen definierten Wärmestrom innerhalb des Bauteils sorgt. Dieser Vorgang wird mit Hilfe der IRBIS® active Software gesteuert. Anschließend werden im Rahmen der Bildauswertung von Wärmeausgleichsvorgängen Fehlstellen oder Defekte sichtbar.
Am KTP wurden konkrete Untersuchungen u. a. an CFK-Bauteilen vorgenommen, die Hagelschlag ausgesetzt waren. Bei der visuellen Untersuchung waren die einzelnen Defekte an den Bauteilen nicht wahrnehmbar. Mit Hilfe der Aktivthermografie konnten jedoch eindeutige Schäden detektiert werden.
Auch die Resultate von Alterung und Witterungseinflüssen auf die Rotorblätter von Windkraftanlagen konnten mit Hilfe aktiver Thermografie nachgewiesen werden. Ein Thema, was in den kommenden Jahren angesichts der großen Menge an installierten Windkraftanlagen noch oft zu untersuchen sein wird.
Sogenannte Organobleche sind Faserverbund-Halbzeuge, die zum Einsatz kommen, wenn in großer Stückzahl komplex geformte Werkstücke oder Bauteile erzeugt werden müssen, die im Fahrzeugbau eingesetzt werden. Zusätzlich zum mechanischen Umformprozess kann man durch gezieltes, ortsabhängiges Aufheizen mittels eines Infrarotstrahlers die Produktform sehr genau und reproduzierbar auch in Serienprozessen erreichen.
Im Rahmen dieses KTP-Forschungsprojektes hat sich die Positionierung des Infrarotstrahlers als sehr kritisch herausgestellt. Gleiches gilt auch für die Ausrichtung des Strahlerfeldes. Beide Komponenten sind wichtig für die homogene Werkstofferwärmung. Auch hier weist eine Wärmebildkamera der VarioCAM®-Serie im Zusammenspiel mit der IRBIS® Software ihre Leistungsfähigkeit als Messinstrument nach. Die vielfältigen Messfeldeinstellungen und gegebenenfalls auch zusätzlich erforderlichen Algorithmen zur Emissionsgradkorrektur erlauben genaue Bewertungen der verwendeten Infrarot-Strahler.